Die Draluma als Freundin der Hausfrau


Eine Situation, die sicher jeder kennt, der wie ich so um die 40 Jahre alt ist: Auf einer Familienfeier fangen die lieben Eltern (in meinem Fall sind beide jenseits der 75) an, von der guten alten Zeit zu sprechen. Tenor: Früher war alles besser oder wenigstens doch anders. Ein verstärkendes Zitat gefällig? „Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt.“ Alles klar?

Die Historikerin in mir atmet tief ein, ganz langsam wieder aus und übergibt dann die innere Kontrolle an die verständnisvoll nickende Tochter, die allerdings auch nicht allzulange zuhören mag. Die schlechte Zeit, die Entbehrungen, der Krieg und so weiter und so fort. Alles schon mal gehört, alles schon mehr als einmal diskutiert, entsprechend stellt man auf Durchzug und lässt sie erzählen. Auch das geht vorbei. Doch manchmal dringt ein Wortfetzen durch die eigene Gedanken. Was war das? Dieses Wort habe ich ja noch nie gehört. Draluma. War das richtig? Einfach noch einmal nachfragen. Erfreutes Innehalten im Monolog. Tatsächlich: Draluma.

An dieser Stelle ein wenig Familiengeschichte. Die Familie meiner Mutter wohnte in den 30er Jahren im zu der Zeit nicht mehr allzu roten Wedding, irgendwo in der Lüderitzstraße. Ursprünglich ein kleiner Angestellter, hatte mein Großvater auf der Abendschule eine Ingenieurstudium absolviert und arbeitete nun bei Siemens. Nichtsdestotrotz wurde jeder Groschen zweimal umgedreht.  Das Kochen und Putzen oblag der Hausfrau, meiner Großmutter.

Kochen war hier gerade das Stichwort? Dann will ich mich doch wieder dem eigentlichen Thema annähern. Wie gesagt: Die Verhältnisse waren einfach. Wie sah in dieser Zeit eine einfache Küche aus?

Die Küche als Mittelpunkt des Familienlebens

Die Küche als Mittelpunkt des Familienlebens  http://bit.ly/tSWJhB

Die Kochmachschine in der Ecke, abgebildet ist ein gusseisernes Modell, war gleichzeitig Kochstelle und Ofen für den gesamten Raum. Eins war sicher. Hier war es selbst im Winter (fast) immer warm. Während dieses Modell allerdings schon einigen Luxus bot, war die Küche meiner Großeltern noch mit einem gemauerten Modell ausgestattet. Einen Backofen gab es nicht, zwei Gasflammen mussten ausreichen, um für die Familie zu kochen.

Wie? Einen Backofen gab es nicht? Heute unvorstellbar, aber damals gerade in den Arbeitervierteln durchaus an der Tagesordnung. Das waren die Zeiten, in denen findige Hausfrauen (so sie denn die nötigen Zutaten zusammenkratzen konnten) ihren backfertig vorbereiteten Kuchen in die nächstgelegene Bäckerei trugen, um sie für kleines Geld in den Öfen mitbacken zu lassen. Und hier, nach langer Vorgeschichte, setzt die Erfolgsstory der Draluma an. Denn während mein Großvater wohl dachte, dass der alte Herd durchaus noch seinen Zweck erfüllte, so wollte er doch nicht auf seinen sonntäglichen Kuchen verzichten. Und, Gott sei Dank, es gab eine Lösung. Die Draluma war eine Art Backhaube aus Aluminium (bzw. in der hochwertigeren Ausführung aus Glas), welche direkt auf die Gasflamme gestellt wurde und aufgrund der Haube für genügend Oberhitze sorgte, um Braten und Backen möglich zu machen.

Draluma Rezeptbuch

Draluma… die Vielseitige. Hier in einer Original-Abbildung von 1951.                 http://bit.ly/tHQgar 

Je nach dem gewollten Einsatz als Brat- oder Backhelfer gab es verschiedene Aufsätze, Bleche und weiteres Zubehör. Während das oben abgebildete Modell  mit durchgehender Haube wohl vor allem für Braten und Blechkuchen Verwendung fand, gab es auch solche, die mit dem Backrohr in der Mitte vor allem für das Backen von Kranzkuchen gedacht waren. Tatsächlich scheinen allerdings nur noch wenige vollständige Exemplare bis heute erhalten zu sein.

Draluma Zubehör

Wie bei jeden guten Küchengerät: ohne Schnickschnack und Zubehör geht nichts…  http://bit.ly/tHQgar

Was bleibt? Drei Fragen sind noch zu klären: Was kostete der Spaß? Was bedeutet nun denn Draluma? Und wann verschwand dieses Schmuckstück aus unseren Küchen?

1936 betrug das jährliche Durchschnittsentgelt genau 1.783 Reichsmark. Damit stand der Durchschnittsfamilie rund 149 RM pro Monat zur Verfügung. So gesehen war die Draluma (vor allem durch den ganzen Klimbim drumherum) nicht gerade billig, aber auch nicht unerschwinglich. Eine Rechnung der Fabrik an einen Einzelwarenhändler lässt diesen Schluss zu, selbst wenn man davon ausgehen kann, dass natürlich auch der Leipziger Händler seinen Gewinn machen wollte.

Draluma Rechnung

Eine Originalrechnung des Erfinders und Alleinherstellers der Original DRALUMA von 1936  http://bit.ly/sc7yfV

Diese Rechnung  bietet auch einen Hinweis auf die Herkunft der Bezeichnung Draluma. Der Erfinder war ein Hugo DRehmann, Inhaber der ALUMinium- und Metallwaren-Fabrik in Hamburg-Wandsbek. DR-ALUM-a. Wow… Metallwarenfabrikanten haben echt Fantasie. Kein Wunder, dass sich heute  Marketing-Experten darum kümmern. Besser ist’s.

Und wann verschwand die Draluma aus den Küchen der Nation? Wohl mit dem Aufkommen der heutigen Backöfen in den 50er Jahren im Zug des Wirtschaftswunders, wenigstens im Westen. Doch Totgesagte leben länger.

Backwunder

Das DDR-Backwunder. http://bit.ly/vEpECI

Sieht doch dem Original noch recht ähnlich, mit ähnlichem Zubehör ausgestattet, allerdings nun elektrisch betrieben: Die DDR-Antwort auf die Draluma. Auch heute immer noch als Kleinküche bezeichnet über bekannte Internetauktionshäuser zu erwerben. Also was für die, deren Backofen es auch in heutiger Zeit nicht bringt.

Und was ist die Moral? Geschichte liegt nicht nur auf der Straße, sondern lümmelt manchmal auch gemütlich auf der Wohnzimmercouch. Hör deinen alten Verwandten doch mal zu, wenn sie von vergangenen Zeiten erzählen. Manchmal kommt doch etwas Neues. Draluma!

7 Kommentare zu “Die Draluma als Freundin der Hausfrau

  1. Meine Mama hat in der Nachkriegszeit den köstlichsten Käsekuchen in der Dralumaform gebacken. Wir waren ausgebombt und wohnten in einer Laubenkolonie. Kein Strom, kein Gasanschluß… Wir kochten mit Holz und Kohle und später mit Propangas. Dann gabs die Dralumaform. Meine Eltern Jahrgang 1913, ich Jahrgang 1940.

  2. Mit Freunde haben wir den Bericht gelesen. Wir haben beim Campingausstatter eine „Omina“ gekauft. Den Renner, wie er sagt. Und ich habe mich auch an meine Mutter erinnert, die noch lange als sie schon einen Backofen hatte, in der Draluma ihren Napfkuchen buk. Grüße !

  3. I live in Australia. Recently my Oma passed away and amoung her old belo gings i have found an old Draluma cook book. Now to try and translate to see if i can reolicate some of her cooking.

  4. Die DRALUMA war eine prima Erfindung, meine Eltern hatten auch eine. Darin wurde viel gebacken und in meiner Erinnerung gelangen die Kuchen hervorragend! Eine Erfindungdie heute schon fast vergessen ist, wenn man jemanden fragt was ein DRALUMA ist herrscht große Ratlosigkeit. Danke für den Beitrag.

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